» LET ME TELL YOU... Ryan wurde in einer stürmischen Nacht Anfang April geboren. Genauso stürmisch, wie es sein weiteres Leben werden sollte. Denn es stand keineswegs unter einem guten Stern. Eigentlich sprach alles für ein perfektes Leben. Seine Eltern liebten ihren kleinen Sohn und auch seine ältere Schwester, deren Altersunterschied relativ groß war, verfiel ihm direkt. Leider kam letzten Endes alles anders, als ein großer Streit zwischen seiner Schwester und seinen Eltern die Kluft zwischen der Familie unüberwindbar machte. Damals war Ryan gerade einmal fünf Jahre alt, als sie einfach so aus seinem Leben verschwand. Heute erinnert er sich kaum mehr an sie. Doch damit nicht genug. Als seine Eltern kurz darauf bei einem Autounfall starben, brachte man ihm in ein Heim, in dem er drei Jahre verbrachte, bevor sich eine Familie seiner annahm und er durch sie von Toronto nach San Francisco kam. Schon damals erkannten sie, dass sie es mit dem Jungen nicht leicht haben würden. Er wirkte ziemlich verschlossen und ließ kaum jemanden an sich heran. Zu groß war das Trauma der vergangenen Jahre für ihn.
Selbst in der Schule hatte er seine gewissen Probleme, galt immer eher als Außenseiter und las lieber in seinem Lieblingsbuch Sturmhöhe. In der Schule schrieb er Bestnoten, ohne viel dafür tun zu müssen, insbesondere Sprachen liegen ihm gut. Zum literarischen Interesse kam er durch seinen Adoptivbruder, der ihm anfangs immer vorgelesen hatte. Obwohl er es bei seiner neuen Familie wirklich gut hatte, konnte er die Dramen rund um seine eigene Familie nie vergessen. Noch oft dachte er zurück an seine Schwester und fragte sich, wo sie sein mochte. Doch auch die Erinnerung an sie verblasste mit den Jahren. Ryan wuchs heran und gelangte im Teenageralter an die falschen Leute, die ihn zu Dingen anstifteten, die immer wieder die Polizisten auf den Plan riefen. Seine ersten Erfahrungen mit Alkohol und leichten Drogen machte er im Alter von 13. Und ebenfalls verlor er seine Unschuld in diesem Alter an eine ältere Frau. An so etwas wie Liebe glaubte er nicht. Die Gefühle anderer bedeuteten ihm nichts, so etwas wie Empathie kannte er nicht, weil er sich selber nie Gefühle eingestehen wollte. Fühlte man nichts, konnte man auch nicht verletzt werden, das war sein Motto.
Sein großes Hobby war das Surfen. Auf den Wellen fühlte er sich einfach frei und nur dort konnte er richtig entspannen. Doch auch dieses Hobby sollte ihm durch einen Schicksalsschlag genommen werden. Eine Wette mit seinem besten Freund. Ein Sturm. Laute Sirenen. An viel kann Ryan sich nun nicht mehr erinnern, nur noch daran, wie er im Krankenhaus aufgewacht war und für ihn eine Welt zusammenbrach, als man ihm erklärte, er habe eine Hand verloren und sein bester Freund sei in den Wellen ertrunken. Ein weiterer Einschnitt in seinem Leben, das ihn immer mehr dazu veranlasste, sich von allen anderen abzuschotten. Wochen verbrachte er in seinem abgedunkelten Zimmer und es war ein langer, steiniger Weg bis zum heutigen Tag. Das Verhältnis zu seiner Adoptivfamilie bröckelte und er hasste die Therapiestunden und die Prothese, die er irgendwann erhielt. Ein hartes Training war nötig, damit Ryan mit dieser Hand alle Griffe beherrschte und dennoch würde sein Leben nie wieder dasselbe sein. Eigentlich hatte er noch nie ein ruhiges, friedliches Leben geführt. Weiterhin lenkte er sich mit Alkohol und Frauen ab, betäubte damit für einige Stunden seine Gedanken und ließ die Frauen daraufhin abblitzen. Dass sie ihn Arschloch nannten, daran war er gewöhnt und dass ihn alle dafür hassten, weil er sie wie Dreck behandelte, gehörte ebenfalls schon zu seinem Alltag.
Erst als die Musik in sein Leben trat, änderte sich einiges. Trotz seiner Prothese schaffte er es irgendwie, Gitarre zu lernen. Ryan verliert sich vollkommen in der Musik und vergisst alles um sich herum. Er beschloss, sein Leben wieder in den Griff zu bekommen und schrieb sich an der Universität in San Francisco ein, um englische und amerikanische Literatur zu studieren. Doch auf ein Surfbrett wagt er sich bis heute nicht ...